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Rotfleischige Äpfel im Trend

Forschung

19. November 2025

Als der russischen Pomologe Iwan Wladimirowitsch Mitschurin im Jahr 1915 aus dem im Kaukasus beheimateten Niedzwetzki-Apfel (Malus niedzwetzkyana), dem Urahn rotfleischiger Äpfel, die Sorte Roter Mond züchtete, stand die Frostbeständigkeit für die Klimabedingungen Russlands im Vordergrund. Von einem Baum dieser Sorte schickte später ein deutscher Soldat von der Front im Kaukasus Kerne an seinen Professor an die TU in Berlin. Daraus zog Heinrich Wiepking einen wurzelechten Sämling, von diesem wiederum schnitt ein Kollege Reiser mit Genehmigung von Wiepking und nahm sie zur Weitervermehrung mit nach Weihenstephan. Von der TU Berlin zog das originale Bäumchen nach Hannover, wo Wiepking an der TU lehrte, von dort kam es nach Osnabrück. Von diesem Baum ausgehend wurde die Sorte durch Edelreiser weitervermehrt.

Der in Weihenstephan angestrebte Sortenschutz für den rotfleischigen Apfel („Weirouge“) wurde vor längerer Zeit zurückgezogen, da die Sorte genetisch identisch mit dem Roten Mond von Mitschurin ist.
Die rote Schale und ihr vollständig rotes Fruchtfleisch (auch die Blüten, sogar die Kerne und das Holz der Triebe sind rot) wird durch einen ungewöhnlich hohen Gehalt an Anthocyanen verursacht. Das besondere Merkmal ist jedoch, dass das Fruchtfleisch und der Saft auch nach der Verarbeitung rot bleiben – schilcherfärbiger Saft oder Most und rote gedörrte Apfelspalten oder Mus gibt auch für das Auge etwas her. Aufgrund des geringen Zucker- und hohen Säuregehalts ist er als Tafelapfel eher ungeeignet, zum Beispiel als Cider mit süßem Saft verschnitten, erfreut er sich aber steigender Beliebtheit.

Weiterzüchtung unter Verwendung von Weirouge/Roter Mond

Das Bayerische Obstzentrum in Hallbergmoos züchtete durch Kreuzung aus Weirouge und einem Zuchtklon eine Sorte, die auch als Tafelapfel geeignet ist und gab dieser den Namen Baya® Marisa. Baya® Marisa besticht wie Weirouge/Roter Mond mit rotem Fruchtfleisch, ist mit seiner Fruchtsäure und der ab Ende August ausgebildeten Süße aber zum Verzehr geeignet, wenn auch die Süße nicht an herkömmliches Tafelobst heranreicht. Die Bäume des Baya® Marisa-Apfels kommen allerdings erst nach 5–7 Jahren in Ertrag. Übertroffen an Konsumfähigkeit soll diese Sorte mittlerweile vom Feuerwehrapfel® (Vermarktung von September bis November) und dem lagerfähigen Zauberapfel® für den Verkauf von Ende November bis Mai/Juni werden.

Sortenzüchtung rotfleischiger Äpfel in der Steiermark

Während verschiedene österreichische Versuchsstationen sich auf die Tauglichkeitsprüfung von Neuzüchtungen für den heimischen Obstanbau konzentrieren, wird einer gezielten Züchtungsarbeit hierzulande wenig Beachtung geschenkt. In der Steiermark wird allerdings an rotfleischigen Apfelsorten gezüchtet, wie bei einer Exkursion der BOKU Wien am Bio-Obstbaubetrieb von Michael Krenn in Fehring zu erfahren, besser gesagt zu erleben und verkosten war. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Bereichen Obstforschung, Versuchsanlagen, Pomologie und Obstbaumpflege hatten sich am Betrieb Krenn eingefunden.

Michael Krenn führt seit 2024 den Biobetrieb mit Apfel- und Erdbeeranbau, war vorher in der Fachschule Silberberg am Aufbau der Obstanlagen beteiligt, liebt Pflanzenvielfalt und ist Sortensammler (auch bei Zitrus („Yuzu“)). Mittlerweile vermittelt er auch an der landwirtschaftlichen Fachschule Hatzendorf Inhalte obstbaulicher Natur.
Michael Krenn begann, aus den Kernen rotfleischiger Äpfel, die als Spalierreihe zwischen den Reihen klassischer Apfelsorten gepflanzt waren, Obstbäume zu ziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass bestäubende Insekten Pollen der Nachbarsorten auf die Blüten von rotfleischigen Apfelbäumen übertragen, ist groß und ergab bereits interessante Sorten. Diese Methode wird als Kreuzung mit freier Abblüte bezeichnet, beruht allerdings auf Wahrscheinlichkeiten und nicht exakter Wahl des Befruchtungspartners.
Deshalb begann Michael Krenn, die Blüten händisch zu bestäuben, um durch die gezielte Kreuzung vorwiegend rotfleischiger Apfelsorten (der Sorte Red Love) Sorten mit verbessertem Geschmack und (in Zukunft) einer breiten Widerstandsfähigkeit als Tafelapfel für den Bio-Anbau zu züchten.


Dazu werden die Blüten der gewünschten Muttersorten im Ballonstadium mit einem weißen Gartenvlies eingenetzt. Der Pollen der Vatersorten wird im Ballonstadium gesammelt und kurz gelagert (wodurch die Pollensäcke aufspringen). Bei Vollblüte werden die Blüten durch Drehen der getrockneten Blüten über den Stempeln der Mutterpflanze bestäubt, anschließend wieder zugedeckt. Nach erfolgtem Blühende wird das Vlies entfernt. Die Früchte der Kreuzungen werden in Säcken geerntet und aus ihnen nach separater Kühllagerung (gleichzeitig Stratifizierung) die Kerne entnommen, gewaschen und mit feuchter Küchenrolle in ein Marmeladenglas gegeben, wo sie nach in etwa 1-2 Wochen keimen. Die Aussaat erfolgt in QuickPot-Platten im Keller mit entsprechender Raumtemperatur und künstlicher Beleuchtung, nach den strengsten Frösten kommen sie in den Folientunnel in Töpfe (um die Schädigung durch Wühlmäuse zu verhindern).

Da Sämlinge für gewöhnlich meist Jahre benötigen, um mit einsetzender Ernte die Eigenschaften der Fruchttypen erheben zu können, umgeht Michael Krenn diesen Zeitraum durch Abnahme von Edelreisern, sobald die Sämlinge über 1,8 m hoch gewachsen sind. Ab dieser Höhe sind die Triebe nicht mehr juvenil, sondern können auf die schnell fruchtende Unterlage M9 veredelt werden. Je Kreuzungssorte werden am Betrieb 2 Bäume aufgezogen.

Führung durch den Bestand und Verkostung von Züchtungen in der Anlage

Die Verkostung aus Michaels gesammelten Marktsorten sowie den Kreuzungskombinationen aus Red Love x Gala, Red Love x Braeburn, Redlove freie Abblüte war bei der Exkursion ein Geschmackserlebnis und zeigte auf, welches Potenzial an Geschmacksvielfalt die Züchtungsarbeit erwarten lässt. Auch Marktsorten wie etwa Lucy glo (Fleisch innen rot und Schale gelb) überraschten die Teilnehmer:innen, blieb doch das erwartete herb-saure Aroma großteils aus.

Michael konnte bereits Früchte von etwa 250 Kreuzungen kosten, wovon nach seinen Angaben 2 interessant als Tafelobst und weitere 5-10 zur Direktvermarktung und Verarbeitung bewertet werden. Eine Sorte wurde bereits zum Sortenschutz in Deutschland angemeldet.
Neben dem zeitlichen Faktor der mehrjährigen Vorarbeit bis zur Möglichkeit, eine Neuzüchtung auf Geschmack und Tauglichkeit in der Kulturführung testen zu können, besteht doch ein großer Aufwand daraus, wieviele Ergebnisse nach mehreren Jahren der Heranzucht verworfen werden müssen.
Die jüngsten Kreuzungen mit resistenten Sorten wie Rewena und Remo stehen noch in der Baumschule und lassen krankheitsrobuste Kreuzungen erhoffen. Bei Kreuzungen mit „neueren“ Sorten (Braeburn, Gala) beobachtet Michael Probleme mit Blattflecken, daher hat er Interesse an Eigenschaften alter Sorten (Robustheit) für weitere Kreuzungen. Von diesen Sorten sind allerdings nur diploide Apfelsorten als Befruchtungspartner geeignet, wodurch eine Reihe von robusten alten Sorten wie Bohnapfel, Boskoop, Gravensteiner, Kanada Renette u.a. ausfallen. Anzudenken ist dafür eine Kooperation im Rahmen des InnOBreed-Projektes.

In dem seit 2022 europaweit laufenden InnOBreed Projekt (Innovative Bio - Obstzüchtung und -verwendung) werden innovative Lösungen zur partizipativen Entwicklung von Obstsorten für den ökologischen Landbau gesucht. Bis dato ungenutzte genetische Ressourcen von Obstbäumen, Vorzüchtungen und fortgeschrittenem Material werden dabei eingesetzt. InnOBreed widmet sich mehrjährigen Obstarten, darunter Zitrusfrüchte, Trauben, Kernobst (Äpfel, Birnen) und Steinobst mit Schwerpunkt auf Apfel- und Prunus-Arten. Das Projekt zielt darauf ab, die gesamte Obstkette durch den Aufbau eines Netzwerks von Akteuren für die Prüfung biologischer Sorten zu verbessern.

Ausklang und weiterer Austausch bei einer gemeinsamen Jause

Neben der wunderbar geleiteten Führung von Michael und dem Einblick in seinen Betrieb und seinen Züchtungserfahrungen war auch ein geschmacklicher Eindruck der Vielfalt zu erhalten. Das Treffen brachte unterschiedliche Akteure und Interessenten an der Obstvielfalt und deren Entwicklung zusammen, um den Austausch von eigenen Erfahrungen von Sorteneigenschaften zu ermöglichen und die Weiterentwicklung in Richtung partizipativer Entwicklung von Obstsorten für den Bio-Anbau zu fördern.

Ein großer Dank gilt der Familie Krenn für die gastfreundliche Aufnahme, Daniela Noll und Andreas Spornberger von der BOKU Wien für die Organisation und Protokollführung!

Autor: Wolfgang Weingerl

Artikel erschienen in der 'Zeitschrift Obst.Wein.Garten November 2025


Weitere Treffen

Das nächste Netzwerktreffen findet am 4. Dezember im OSOGO statt. Details dazu hier:
https://www.streuobst.at/events/netzwerk-treffen-austrian-fruit-partizipative-entwicklung-von-obstsorten-fuer-den-bio-anbau


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